Im Interview mit Alex McCarthy zu ihrem Debütroman "Die Schönheit der Rosalind Bone"

Lloyd James
Lloyd James

Poetische Sprache trifft harte Realität: Die Schönheit der Rosalind Bone ist der zarte, fast märchenhafte und zugleich sprachgewaltige Debütroman von Alex McCarthy, einer neuen Stimme aus Wales, über die Verstrickungen innerhalb eines Dorfes und das Schicksal einer starken Frau. Wir sprechen mit der Autorin über ihr Debüt.

Ihr Buch führt uns in das walisische Dorf Cwmcysgod. Wie würden Sie diesen Ort beschreiben?

Es handelt sich um ein Industriedorf, das um ein Kohlebergwerk herum gebaut wurde, das es jedoch nicht mehr gibt. Das Dorf ist irgendwie gestrandet. Es kämpft. Es liegt in einem Tal von teilweise zerstörter natürlicher Schönheit. Die Kohlehalden sind abgedeckt und unsichtbar - die Gefahr liegt knapp unter der Oberfläche.

"Ja, in diesem Dorf gab es ein paar eigenartige Gestalten. Wenn Hinter-Vorhängen-Hervorlugen eine olympische Disziplin wäre, würde dieses Dorf Gold holen." Was sind das für Dorfbewohner*innen, denen die Leser*innen begegnen?

Nun, die Charaktere sind von einer Gemeinschaft eines bestimmten Dorfes in Südwales inspiriert. Hätte ich die Wahrheit geschrieben, hätte mir niemand geglaubt. Die Dorfbewohner*innen stehen sich nahe, sind fürsorglich, gehen sich aber gegenseitig auf die Nerven. Das bedeutet, dass moralisch zweifelhaftere Charaktere ihre Absichten gut verbergen müssen. Es gibt eine strenge soziale Ordnung und eine Angst vor dem Anderssein, doch gleichzeitig kann Exzentrizität begrüßt werden – oder eben vertrieben. Die Regeln sind nicht ganz klar, und in einer kleinen Gemeinschaft besteht immer die Angst vor Ausgrenzung.

Neben den Schauplätzen wie dem kleinen Eckladen, dem Familienhaus von Rosalind und Mary und der Fabrik, spielt auch der Wald anscheinend eine große Rolle. Welche Bedeutung hat der Wald in dieser Geschichte?

Der Wald ist ein Zufluchtsort. Er ist die unbewusste Erinnerung an die Landschaft und ihre Bewohner. Er ist ein Beobachter, ein Elternteil. Irgendwie ist er auch eine Abrechnung und eine Wahrheit.

An einer Stelle heißt es: "Rosalind war schön und Mary nicht. Diese einfache Wahrheit hatte Marys Leben geprägt." Was denken Sie macht es mit einer Beziehung zwischen Geschwistern, wenn die eine Schwester im Schatten der anderen Schwester steht?

Ich denke, das hängt mehr vom Wesen des überschatteten Geschwisters ab als von der Familie und der Gesellschaft, in der sie leben. Wäre Rosalind die unscheinbare Schwester gewesen, hätte sie sich an einem Ort psychologischen Wohlbefindens befunden und wäre weitaus glücklicher gewesen, als es Mary in der ähnlichen Situation war. Rosalind ist introvertiert, und Mary, trotz ihrer Isolation, extrovertiert. Mary findet ihr Selbstverständnis eher in der Meinung anderer als in der Selbstreflexion. Ihr Wesen zwingt sie in einen Wettbewerb mit ihrer Schwester. Die äußerliche Schönheit ihrer Schwester ist ein mächtiger sozialer Umstand, der Mary in eine Ecke drängt, aus der heraus sie glaubt, kämpfen zu müssen.

In ihrem Roman ist von der "Macht der Schönheit" die Rede. Was ist Ihre persönliche Definition von Schönheit?

Reinheit in der menschlichen Interaktion. Wenn wir uns über Gedanken, Urteile und unser Selbst hinwegsetzen. Wenn wir nur von Liebe angetrieben werden. Das ist die Wahrheit der großen Kunst: Der oder die Kunstschaffende ist zur Seite getreten, hat den Intellekt ausgeschaltet und so die Wahrheit verstärkt. Das ist der Grund, warum die meisten von uns die "natürliche" Welt lieben.

Das Schicksal Ihrer Protagonistin ist zutiefst berührend. Wie sind Sie auf den Charakter wie Rosalind Bone gekommen? Was inspirierte Sie zu Ihrem Roman?

In erster Linie waren es meine eigenen Erfahrungen als Mädchen und junge Frau. Der tiefe, stille Schrecken jedes Mal, wenn ich das Haus verließ, der Druck der ewigen Wachsamkeit. Ich war mir dieser Ängste nicht bewusst, bis ihre Quelle verschwand: Als ich das erste Mal einen Kinderwagen schob - keine anzüglichen Blicke, kein Hinterherrufen. Freiheit!

Zum zweiten der gesellschaftliche Wert der Schönheit unter Mädchen und Frauen. Die Eifersucht, die Gemeinheit und die Gewalt, die der Schönheit anhaften, wenn sie sich nicht benimmt.

Und ein Foto meiner Mutter, aufgenommen, als sie ein Teenager war. Es zeigt körperliche Schönheit, aber auch eine Andersartigkeit, die mich um sie fürchten ließ. Meine Mutter ist Anglo-Inderin. Nicht ‚weiß‘ zu sein, nimmt einer Frau, die in Europa lebt, eine weitere Sicherheitsschicht. Obwohl dies kein Schwerpunkt des Buches ist, war es definitiv eine Inspiration.

Zusatz der Autorin zur Antwort auf Frage 6: Jedes Mal, wenn ich Macht hatte, wurde ich von Männern als Hexe bezeichnet, sei es in einer Situation romantischer Liebe oder wenn ich ein Verständnis der Welt zum Ausdruck brachte, von dem sie meinten, es sei ihnen nicht zugänglich. Es gibt Zeiten und Orte, an denen eine solche Verurteilung ausgereicht hätte, um mich töten zu lassen, wenn ich mich nicht ‚benommen‘ hätte.